Das Projekt nexus ist seit dem 30. April 2020 abgeschlossen. Alle Informationen und Texte entsprechen dem Stand zum Projektende und werden nicht weiter aktualisiert. Mit dem Themenbereich Anrechnung und Anerkennung befasst sich das aktuelle HRK-Projekt MODUS und für Studierende die Infoseite AN!.

Lehre im Dialog zwischen Forschung und Praxis entwickeln

14. Juni 2019 - Dr. Elke Bosse & Prof. Silke Bock

Zunehmend wird in der hochschulpolitischen Diskussion um Lehrqualität und Lehrinnovation gefordert, hochschuldidaktische Interventionen empirisch zu überprüfen bzw. aus gesicherten Forschungsbefunden abzuleiten. Unter anderem im Rahmen der Begleitforschung zum Qualitätspakt Lehre (QPL) unterstützt das BMBF wissenschaftliche Untersuchungen, die mit ihren Ergebnissen zur Gestaltung von Studium und Lehre beitragen sollen.  Die aktuelle Förderung einer zusätzlichen Transferphase  verweist allerdings auf die Schwierigkeit, nicht nur potenziell praxisrelevante Forschungsergebnisse zu generieren, sondern sie auch tatsächlich in die Lehr- und Hochschulentwicklung einzubringen. Pauschale Forderungen nach Evidenzbasierung greifen also zu kurz, wenn sie die Frage vernachlässigen, wie sich empirische Untersuchungen konkret für die Weiterentwicklung von Studium und Lehre nutzen lassen.

Ziel: Praktische Implikationen ableiten
Das Projekt StuFHe hat diese Frage aufgegriffen und in Zusammenarbeit mit ausgewählten Partnerhochschulen verfolgt. Hintergrund war die Förderrichtlinie des BMBF, die QPL-Projekte möglichst aktiv in die Vorhaben einzubeziehen, statt sie lediglich zu „beforschen“. Die im StuFHe-Projekt entwickelten Kooperationsaktivitäten waren deshalb von Beginn an darauf angelegt, Untersuchungsverfahren und -instrumente miteinander abzustimmen, Zwischenergebnisse gemeinsam zu reflektieren und daraus praktische Implikationen abzuleiten. Die Erfahrungen können nicht nur als Beispiel für eine forschungsgeleitete Entwicklung von Studienangeboten und Lehrkonzepten dienen, sondern sollen auch zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Konzept Evidenzbasierung in der Hochschuldidaktik beitragen.

Das StuFHe-Projekt

Das StuFHe-Projekt

Das an der Universität Hamburg angesiedelte StuFHe-Projekt hat die Bedingungen für gelingendes Studieren untersucht, um empirisch fundierte Hinweise für die Gestaltung der Studieneingangsphase zu gewinnen. Dazu wurden an zwei Universitäten und zwei Hochschulen für Angewandte Wissenschaften quantitative Befragungen mit qualitativen Erhebungen kombiniert, an denen sowohl Studierende als auch Verantwortliche für Studieneinstiegsangebote teilgenommen haben. Die Ergebnisse geben einerseits Einblick in individuelle Studienziele und Studienanforderungen, andererseits beleuchten sie die Gestaltung, Nutzung und Wirkungsweisen von Studieneinstiegsangeboten. Darüber hinaus zeigen sie, welche Rolle Heterogenität für gelingendes Studieren spielt und wie Studieneinstiegsangebote zum Umgang mit Heterogenität beitragen.

 

 

Netzwerke und Formate für den Dialog
Um Verbindungen zwischen den StuFHe-Untersuchungen und den Entwicklungsprozessen an den Partnerhochschulen herzustellen, wurden verschiedene Formate für den Dialog zwischen Forschung und Praxis entwickelt und gemeinsam erprobt. Mit Hilfe der lokalen Ansprechpersonen konnte ein Netzwerk aufgebaut werden, in dem die Partnerhochschulen mit Expertinnen und Experten für Maßnahmen in der Studieneingangsphase, Hochschuldidaktik, Studiengangs­entwicklung und im Qualitätsmanagement vertreten waren. Die Zusammenarbeit in diesem Netzwerk erfolgte durch regelmäßige hochschulübergreifende Workshops und durch Projektbesuche. Darüber hinaus wurden auch Hochschulleitungen und weitere Akteure in den Dialog eingebunden, beispielsweise im Rahmen von Studiendekanerunden, am Tag der Lehre oder in hochschuldidaktischen Workshops.

Der Austausch diente in erster Linie dazu, mit ausgewählten Forschungsbefunden an die lokalen Diskurse zur Studieneingangsphase anzuschließen. Die von StuFHe entwickelte Typologie für Studieneinstiegsangebote hat z. B. dazu beigetragen, die häufig über zentrale Einrichtungen, Fachbereiche und Studiengänge verteilten Maßnahmen zu systematisieren, um sich über ein hochschulweites Gesamtkonzept für die Studieneingangsphase zu verständigen. Aus der Resonanz von Seiten der Praxis ergaben sich neben weiterführenden Auswertungsfragen für die laufenden Untersuchungen auch wichtige Hinweise für die Interpretation und Kommunikation der Ergebnisse. Auf der anderen Seite haben der Dialog über hochschulspezifische Befunde und die hochschulübergreifenden Vergleiche eine kontinuierliche Reflexion der Gestaltung der Studieneingangsphase ermöglicht und zu neuen Impulsen für die Förderung von gelingendem Studieren geführt.

Erstsemesterbegrüßung an der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM). Mithilfe des StuFHe-Projekts wurden hier hochschulweite Diskursprozesse und fachbereichsspezifische Klausurtage zur Weiterentwicklung der Studieneingangsphase angestoßen. Bild: THM

Differenzierte Auseinandersetzung in den Partnerhochschulen
Konkrete Veränderungen sind damit insofern einhergegangen, als beispielsweise zwei Partnerhochschulen die Begleitung für den Studieneinstiegsprozess durch Erstsemestertutorien und Mentoring-Programme verstärkt an den von StuFHe ermittelten Studienanforderungen ausgerichtet haben. An einer dritten Hochschule wurde das von StuFHe entwickelte Instrument zur Erhebung von Studienanforderungen in die regulären Studierendenbefragungen aufgenommen. Im vierten Fall haben die Untersuchungsansätze, Instrumente und Ergebnisse von StuFHe die an der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) als Aktionsforschung angelegten Aktivitäten zum gelingenden Studieneinstieg flankiert. Im Sinne des kooperativen Lernens auf der Organisationsebene konnten sie sowohl für hochschulweite Diskursprozesse (z. B. zur Entwicklung von „Grundsätzen für einen gelingenden Studieneinstieg“) als auch für fachbereichsspezifische Klausurtage zur Weiterentwicklung der Studieneingangsphase genutzt werden. Die StuFHe-Ergebnisse haben hier insbesondere zu einer differenzierteren Auseinandersetzung mit „Studierfähigkeit“ beigetragen, so dass nicht einseitig die Defizite von Studierenden fokussiert, sondern auch Handlungsbedarfe und -möglichkeiten auf Seiten der Hochschule systematisch beleuchtet und gemeinsam mit allen vor Ort beteiligten Akteuren abgeleitet werden.

Im Hinblick auf die Nutzung der Begleitforschung für Entwicklungsprozesse an den Partnerhochschulen hat sich insgesamt bewährt, nicht nur über Forschungsergebnisse zu informieren, sondern eine gemeinsame Reflexion anzustoßen und Perspektiven für die praktische Anwendung zu erarbeiten. Mit Hilfe der Expertise aus Forschung und Praxis haben die Befunde einen hohen Kontextbezug gewonnen und eine praktische Bedeutung für die Gestaltung der Studieneingangsphase entfaltet. Im wechselseitigen Austausch konnten insbesondere die komplexen Wirkungszusammenhänge der unterschiedlichen Maßnahmen offengelegt werden, ohne eine unmittelbare Bewertung vorzunehmen oder vorschnelle Schlüsse bezüglich kausaler Zusammenhänge zu ziehen. Insofern steht dieser Dialog für eine Qualitätsentwicklung in Studium und Lehre, die vielfältige Verfahren und Perspektiven anerkennt und integriert – ganz im Sinne eines gemeinsamen “Evidencing“, wie es Roni Bamber auf der diesjährigen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hochschuldidaktik (dghd 2019) am Beispiel der Hochschulentwicklung in Schottland ausgeführt hat. Entwicklungsorientierte Forschungsformate scheinen hierfür besonders geeignet, so dass zu hoffen bleibt, dass die in der Hochschuldidaktik zunehmend verbreiteten Ansätze des Design Based Research und Scholarship of Teaching and Learning verstärkt gefördert werden, wenn zukünftig eine neue Organisationseinheit die Innovation in der Hochschullehre unterstützt.

Dr. Elke Bosse

Dr. Elke Bosse ist seit Juni 2019 als wissenschaftliche Mitarbeiterin beim HIS-Institut für Hochschulentwicklung e.V. (HIS-HE) tätig. Zuvor hat sie das Projekt StuFHe an der Universität Hamburg geleitet. Ihr Arbeitsschwerpunkt ist die forschungsgeleitete Entwicklung von Studium und Lehre. Sie hat Sprachlehrforschung studiert, ein hochschuldidaktisches Zusatzstudium absolviert und zu Interkultureller Kommunikation promoviert.

Prof. Silke Bock

Silke Bock ist Professorin für anwendungsorientierte Hochschuldidaktik und akademische Personalentwicklung an der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM). Im Fachbereich Management und Kommunikation ist sie Studiengangsleiterin des Masterstudiengangs "Methoden und Didaktik in angewandten Wissenschaften_Higher Education (MEDIAN_HE)." Sie leitet zudem das Zentrum für kooperatives Lehren und Lernen (ZekoLL) der THM. Von 2012-2014 war sie Projektleiterin des QPL-Projekts "Klasse in der Masse".