Das Projekt nexus ist seit dem 30. April 2020 abgeschlossen. Alle Informationen und Texte entsprechen dem Stand zum Projektende und werden nicht weiter aktualisiert. Mit dem Themenbereich Anrechnung und Anerkennung befasst sich das aktuelle HRK-Projekt MODUS und für Studierende die Infoseite AN!.

Schlüsselkompetenzen als Zukunftskompetenzen

11. Februar 2020 – Prof. Dr. Tobias Seidl

Bereits bei der Prägung des Begriffs „Schlüsselqualifikationen“ in den 1970er Jahren stand die Vorbereitung der Lernenden auf eine sich schnell wandelnde Zukunft im Mittelpunkt der Debatte. Heute müssen wir feststellen, dass die gesellschaftliche, technologische und wirtschaftliche Veränderungsdynamik durch Megatrends wie die Digitalisierung noch schneller und spürbarer geworden ist. Unter dem Schlagwort „21st Century Skills“ – den Fähigkeiten für das 21. Jahrhundert – wurde der Gedanke der Schlüsselqualifikation in den letzten Jahren weiterentwickelt und in zum Teil sehr elaborierte Kompetenzmodelle überführt. Kerngedanke eines akademischen Kompetenzbegriffs (Schaper et al 2012) ist das Zusammenspiel von

  • komplexem Wissen,
  • Fertigkeiten und Fähigkeiten sowie
  • motivationalen Orientierungen und (Wert-)Haltungen.

Diese verschiedenen Ebenen von Kompetenz machen das Gestalten von passenden Lern- und Prüfungsszenarien überaus komplex. Das gilt nicht nur, aber auch für Schlüsselkompetenzen und 21st Century Skills.

Für Hochschulen, deren Aufgabe es ist, Studierende auf eine erfolgreiche persönliche und berufliche Lebensgestaltung vorzubereiten, stellen sich in diesem Zusammenhang Herausforderungen in verschiedenen Bereichen:

  • Curriculum: Welche Kompetenzen müssen im Hinblick auf die aktuellen und antizipierten Veränderungen in Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft neu in die Curricula integriert (z. B. data literacy) bzw. gestärkt (z. B. kreative Problemlösefähigkeiten) werden?
  • Didaktik: Wie können diese Kompetenzen sinnvoll und nachhaltig in der Lehre adressiert werden (insbesondere auch unter Berücksichtigung der Haltungs- und Motivationsebene)?
  • Hochschule als Organisation: Was wird benötigt (Organisation, Kultur, Ressourcen), um die sich ergebenden curricularen und didaktischen Veränderungen professionell in die Hochschullehre integrieren zu können?

So identifiziert etwa das KSAVE-Kompetenzmodell (Binkley et al 2012) zehn relevante Kompetenzbereiche, jeweils mit den Ebenen (1) Knowledge, (2) Skills und (3) Attitudes, Values and Ethics:

Ways of Thinking
1. Kreativität und Innovation
2. Kritisches Denken, Problemlösung, Entscheidungsfähigkeit
3. Lernen lernen und Metakognition

Ways of working
4. Kommunikation
5. Zusammen- und Teamarbeit

Tools for working
6. Informationskompetenz
7. Umgang mit Informations- und Kommunikationstechnologie

Living in the world
8. Gesellschaftliches Engagement (lokal und global)
9. Leben- und Karriereplanung/-gestaltung
10. Eigenverantwortung und soziale Verantwortung (inklusive kultureller Sensibilität und interkultureller Kompetenz)

Zudem werden im Modell passende Deskriptoren auf allen drei Ebenen formuliert. Zur Verdeutlichung zeigt die Grafik einen Teil der Deskriptoren aus dem Bereich Kreativität und Innovation:

 

 

Für die Studiengangs­entwicklung und die Gestaltung von Lernszenarien hat das KSAVE Modell (oder ähnliche Modelle wie bspw. DigComp) zwei entscheidende Vorteile: Zum einen kann es als vergleichsweise fundierte Quelle für die Ableitung von notwendigen Zukunftskompetenzen für Beruf und Alltag genutzt werden. Zum anderen sind die Kompetenzen im Modell soweit operationalisiert und ausformuliert, dass sie relativ einfach in Lernziele überführt werden können. Dies gilt nicht nur im Bereich des Wissens und der Fertigkeiten/Fähigkeiten, sondern gerade auch im Bereich der motivationalen Orientierung und (Wert-)Haltung.

Für Hochschulen und Studiengänge stellt sich die Herausforderung über den Stellenwert von Schlüsselkompetenzen im eigenen Curriculum nachzudenken sowie geeignete Lernszenarien zu implementieren. Damit wird auch die Frage gestellt werden müssen, ob bzw. welche traditionellen Inhalte und Fähigkeiten keinen Platz mehr im Curriculum haben. Im Hinblick auf das Bearbeiten von motivationalen Orientierungen und (Wert-)Haltungen wird zudem an vielen Standorten ein Einlassen auf neue Wege und ein Experimentieren mit alternativen Lehr-, Lern- und Prüfungsformaten notwendig werden.

Prof. Dr. Tobias Seidl

ist Professor für Schlüssel- und Selbstkompetenzen Studierender an der Fakultät Information und Kommunikation der Hochschule der Medien Stuttgart (HdM). Er lehrt und forscht im Bereich Schlüsselkompetenzen, Kreativität, Hochschulentwicklung und innovative Methoden in der Lehre. Nach Stationen in der hochschuldidaktischen Personal- und Organisationsentwicklung (u.a. an den Universitäten Mainz und Koblenz-Landau) macht er seit 2015 Studierende der HdM fit für die Herausforderungen der Zukunft und verantwortet den Bereich Lehrentwicklung der Fakultät.  2017 war er Mitglied der Arbeitsgruppe Curriculum 4.0 des Hochschulforum Digitalisierung. (Foto: HdM Stuttgart)