Das Projekt nexus ist seit dem 30. April 2020 abgeschlossen. Alle Informationen und Texte entsprechen dem Stand zum Projektende und werden nicht weiter aktualisiert. Mit dem Themenbereich Anrechnung und Anerkennung befasst sich das aktuelle HRK-Projekt MODUS und für Studierende die Infoseite AN!.

Abstract: Podium Prüfungspraxis aus der Sicht Studierender und Lehrender

M. A. Katharina Zilles, Ruhr-Universität Bochum

Wie kommen Prüfungsformate eigentlich zustande? In den meisten Fällen wohl dadurch, dass Lehrende sich auf der Basis der Prüfungsordnungen, Modulbeschreibungen und anderer formaler Leitplanken eine praktikable Form der Leistungsbewertung überlegen, kommunizieren und durchführen. Dabei wird die studentische Perspektive eher selten einbezogen oder bleibt auf Rückfragen beschränkt. Ich möchte vorschlagen, Studierende grundsätzlich aktiv in die Gestaltung der Prüfungsformen einzubeziehen.

Fragen wie "Wie können wir zeigen, was wir gelernt haben?", "Welche Themen gehören unbedingt in die Prüfung, welche sind nicht so zentral?", "Was ist gerechte Bewertung?" und "Welche Vorbereitung ist noch nötig?" lassen sich gut mit Studierenden diskutieren. Sie stellen nicht zwangsläufig niedrigere Ansprüche an die eigene Leistung, sondern haben meist ein gutes Gefühl für die Anforderungen, die aus der Lernzielbeschreibung hervorgehen. Die gemeinsame Gestaltung des Prüfungsablaufs hat zum Ziel, einen gemeinsamen Fahrplan für die Prüfungssitzung zu entwickeln und die Bewertungskriterien zur Diskussion zu stellen und nötigenfalls anzupassen. Auch Themen wie Nachteilsausgleich sollten (ggf. in Absprache mit betroffenen Studierenden) gemeinsam besprochen werden.

Am Beispiel eines Projektseminars wurde dieses Vorgehen bereits erprobt: Die Studierenden überlegten gemeinsam mit den Lehrenden, wie die vorher besprochenen Lernziele in der Prüfungssituation sichtbar werden sollten. Die relativ flexiblen formalen Vorgaben – eine mehrteilige Prüfung mit mündlichen und schriftlichen Elementen – konnten nach den Vorstellungen der Studierenden erfüllt werden. Diese diskutierten innerhalb von Gruppen und im Plenum. Welche Kompetenzen lassen sich besser schriftlich darstellen, welche eher mündlich? Wie stellt man sicher, dass unterschiedliche Gruppenleistungen vergleichbar und Einzelleistungen einer bestimmten Person zuzurechnen sind? Was, wenn die Einschätzung der Lehrenden sich mit der Wahrnehmung der Studierenden beißt? Könnten wir mit Peer
Feedback zur Leistungsbeurteilung beitragen? Die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Leistungsbewertung – die ja naheliegender Weise dicht an den fachlichen Inhalten geführt wird – bietet eine gute Gelegenheit, den Stoff zu wiederholen, Inhalte zu gewichten und eventuelle Lücken für Studierende sichtbar zu machen. Der hohe Zeitaufwand (ein bis zwei Sitzungen) ist also keineswegs verschenkt.

Für die Studierenden bietet der Einbezug in die Prüfungsgestaltung eine Möglichkeit, in besonders ergebnisoffenen Lernformen wie projektbasiertem oder forschendem Lernen besser mit Unsicherheit umzugehen, indem sie die Prüfungssituation vorab durchspielen und Bedenken anmelden können. Sie wechseln die Rolle und lernen die Tücken der Leistungsbewertung aus Sicht der Lehrenden kennen. Fortgeschrittene Studierende haben häufig die berufliche Nutzbarkeit von Lernzielen bereits stark im Blick. Wenn sie entsprechende Bedürfnisse in die Prüfungsgestaltung einbringen – typischerweise z. B. Präsentationskompetenzen, das Meistern von Konfliktgesprächen oder das Aufarbeiten von Fehlern – bietet die Prüfungssituation und -vorbereitung zusätzliche Lernmöglichkeiten.

Lehrende schließlich erfahren viel darüber, wie Studierende ihr Wissen und Nichtwissen organisieren und welche Lern­inhalte ergänzt oder vertieft werden sollten. Studentische Beiträge zur Prüfungsgestaltung können auf Lernbedarfe hinweisen, die den Lehrenden sonst entgehen würden, weil sie in Evaluationen nicht abgefragt werden und sich erst in der Diskussion herausbilden, wie im vorliegenden Beispiel der Wunsch nach konstruktivem Umgang mit Fehlern und Irrwegen der Projektarbeit.

Studentische Mitgestaltung auch bei Bewertungsprozessen zu ermöglichen, trägt zum selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lernen bei, verändert jedoch auch die Dynamik des Lernsettings und erfordert Anstrengung auf beiden Seiten. Dennoch halte ich es für sinnvoll, die gemeinsame Gestaltung der Leistungsbeurteilung zumindest für fortgeschrittene Studierende zu ermöglichen.

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